Samstag, 25. April 2015

»Wenn es um die Fähigkeit geht, Schmerz und Angst zu empfinden, sind wir alle gleich.«



Philip Wollen (Jahrgang 1950) wuchs in Bangalore, Indien, auf. Mit 18 zog er auf
eigene Faust in den Süden Australiens, studierte, arbeitete im Bankwesen, erlebte einen rasanten Aufstieg als Investmentbanker und wurde Vizepräsident der Citibank.

Im Alter von 34 Jahren wurde Wollen vom Australian Business Magazine in die Top 40 Liste der einflussreichsten Führungskräfte aufgenommen.
Zu den Lieblingsgerichten des Bankers zählten Filet Mignon und Hummer – bis er den Betrieb eines seiner Kunden besuchte.

„Ich kam in die vegane Welt aus der fleischessenden Welt der beendeten Ignoranz. Wer hätte gedacht, dass der Blitz einschlagen würde? 
Ich war Investmentbanker, spezialisiert auf Unternehmensfinanzierung, Fusionen und Übernahmen.
Ich erhielt einen Auftrag von einem Großkonzern und besuchte dessen verschiedene Betriebe, von denen sich einer als ein Schlachthof herausstellte. 
Es war die schockierendste, schrecklichste und gewaltsamste Erfahrung meines Lebens. Es war der handfeste Beweis für das erbärmliche Versagen des Menschen, Empathie für das Leiden anderer Lebewesen zu entwickeln. Ich glaube, ich verstehe jetzt, was Hannah Arendt in ihrem Werk "Eichmann in Jerusalem" meinte, wo sie den Begriff "die Banalität des Bösen" ins Leben rief.“

„Der schiere Horror an diesem Morgen berührte mich tief. 

Ich begann, jeden alltäglichen Teil des Alltagslebens durch das Prisma der Grausamkeit gegen Tiere zu sehen.

 An einem gut besuchten Restaurant vorbeizugehen, und zu wissen, dass es eine Ansammlung von mörderischen Kaufgelegenheiten verbarg. 

Eine attraktive Frau in einem Ballettheater zu sehen und abgestoßen zu sein beim Anblick ihres Pelzmantels. 

Zu wissen, dass jede Metzgerei eine Verkaufsstelle für Körperteile von Mordopfern ist; jede Fast-Food-Kette wurde in meinem Geist zu einem gastronomischen Tabakhändler mit dem gleichen tödlichen Resultat. 
Ich denke also, der Schlachthof meines Kunden machte mich vom Fleck weg zum Vegetarier. 



Der Gedanke, dass Milchbetriebe ein genauso elender Gulag für Tiere sind, kam mir nicht.
Erst als ich das Gemetzel bei Kälbern sah, die künstliche Befruchtung von Kühen, das Wegnehmen winziger Kälber von ihren Müttern, das gewaltsame Töten 'unrentabler' Kälber, wurden Milchprodukte zu einer weiteren Grausamkeit auf der Liste.“

„Sobald der Groschen gefallen war, gab es kein Zurück mehr. Es war ein so blendender Blick auf das Offensichtliche.“

Der erfolgreiche Banker hängte seinen Job an den Nagel und beschloss alles, was er besaß, zu verschenken oder – mit seinen Worten gesagt – »zu re-investieren«. Denn die von Wollen gegründete Stiftung »Winsome Constance Kindnesstrust«, benannt nach seiner Mutter und Großmutter, investiert in 40 Ländern in über 450 Hilfsprojekte für Tiere, Kinder und Kranke.

„Ich nahm die Einladung zu einer Debatte über die Tierprodukte-Industrie an, weil die Grausamkeit, die sie den Machtlosen zufügen, so ungeheuerlich ist, dass ich sie nicht unbeantwortet lassen konnte. Fast alles, was die Fleischindustrie uns ins kollektive Bewusstsein eingehämmert hat, ist eine Lüge. Schlicht und einfach. Reine Lügen."






Einer der Grundsätze der Stiftung ist: »Wenn es um die Fähigkeit geht, Schmerz und Angst zu empfinden, sind wir alle gleich.«

Ein ungewöhnliches Projekt des Trusts ist das Kindness House in Melbourne. Diese Einrichtung stellt Nichtregierungsorganisationen hochmoderne Büros kostenfrei zur Verfügung. Aus kleinen Organisationen sollen große, erfolgreiche werden, die Gutes tun.

„Nach meiner Erfahrung im Schlachthof steckte ich all meine Energie hinein, so viel wie möglich über die Not der Tiere zu lernen. 
Fleisch, Milchprodukte, Jagd, Tierversuche, Mode, Welpenfabriken, Fischerei, Haustiere, Shark Finning [das Abschneiden der Flossen vom Körper eines Hais, um zB Haifischflossensuppe daraus zu machen; die Haie werden anschließend zum Sterben ins Meer zurückgeworfen], eingesperrte Vögel, Aquakultur, Leder, Zirkusse, Hundekampf, Pferderennen, um ein paar zu nennen. 

Die abscheuliche Grausamkeit des Menschen betraf das gesamte Reich der Tiere. Genau genommen konnte ich keine einzige Spezies finden, die nicht durch den Menschen missbraucht worden war. 
Nicht eine einzige. 
Auch konnte ich keinen einzigen Lebensraum finden, der nicht von menschlichen Eingriffen betroffen war.

Als ich den Horror erst einmal begriffen hatte, war meine Entscheidung unausweichlich. Ich würde ein Aktivist für soziale Gerechtigkeit werden. Ich entschloss mich, alles was ich besaß, mit noch warmen Händen [also: noch zu Lebzeiten] wegzugeben. Und bankrott zu sterben. Und ich gebe zu, bis jetzt bin ich absolut im Budget!“

 
„Da wir alle Tiere sind, sehe ich Tierrechte als untrennbar verbunden mit Menschenrechten. Für mich geht es um mehr, als zugunsten der Rechte von "Tieren" zu sprechen. Es geht auch darum, sich gegen das Falsche, das Menschen tun, auszusprechen.“







„Wenn ich um die Welt reise, sehe ich, wie arme Länder ihr Getreide an den Westen verkaufen, während ihre eigenen Kinder verhungern. Und der Westen verfüttert dieses Getreide an ihre „Nutztiere“. Nur damit wir ein Steak essen können? Bin ich denn der einzige, der sieht, dass das ein Verbrechen ist?

Glauben sie mir, jedes Stück Fleisch, das wir essen, ist ein Schlag in das Gesicht eines hungernden Kindes. Wenn ich diesem Kind in die Augen blicke, wie kann ich dann noch schweigen? Die Erde kann genug Nahrung produzieren, um die Bedürfnisse ALLER Menschen, nicht jedoch die Gier ALLER Menschen zu befriedigen.“
Mehr Informationen: http://www.vchangemakers.de/homepage/tiere/welthunger/

Für seine außerordentlichen Verdienste wurde Wollen 2005 mit dem »Order of Australia« gewürdigt, im Jahr 2007 wurde er in Victoria zum Australier des Jahres gekürt. Heute lebt er mit seiner Frau Trix und ihren vier geretteten Hunden in Melbourne.


Das "Thinking Vegan"-Interview mit Philip Wollen
31. Juli 2012 von Gary Smith





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