Freitag, 3. April 2015

„Ich lass mir doch nicht vorschreiben, was ich essen soll!“ Die Illusion der Selbstbestimmung


Armin Rohm interessiert sich für kollektive gesellschaftliche Überzeugungen und ihre Entstehung. Mit seinen Beiträgen möchte er zum „Selbstdenken“ ermutigen.:

„Vor einiger Zeit vertrat ich in einem Artikel im Volksverpetzer die Auffassung, dass Essen immer dann nicht als Privatsache betrachtet werden sollte, wenn dafür unschuldige, leidensfähige Mitgeschöpfe gequält und getötet werden.

Unser Recht auf Selbstbestimmung stößt immer dort an Grenzen, wo es mit dem Recht auf Leben der anderen kollidiert.

Fleischesser kommentieren diese Sichtweise meist mit Empörung: “Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, was ich essen soll!”
Das ist eine bemerkenswerte Reaktion, denn sie zeugt von einer reichlich verzerrten Selbstwahrnehmung.

Die traurige Wahrheit ist, dass sich die meisten Menschen Zeit ihres Lebens vorschreiben lassen, was sie essen sollen, und zwar ganz besonders diejenigen, die das vehement bestreiten.

Die ‚kulinarische Indoktrination‘ ist allgegenwärtig und beginnt schon im Babyalter, lange bevor wir überhaupt sprechen können. Wir sind kaum abgestillt, da füttern uns unsere Eltern erstmals mit pürierten Tierleichenteilen. Durchaus in liebevoller Absicht, aber keineswegs weil wir das wollen. Wenn wir lernen, unsere Nahrung ohne fremde Hilfe einzunehmen, essen wir weiterhin vor allem, was wir sollen. Die Eltern definieren, was für uns gut ist. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Von Selbstbestimmung keine Spur…“

„Wenn wir sprechen gelernt haben und beginnen, neugierige Fragen zu stellen, wenn wir wissen wollen, was wir da Tag für Tag eigentlich essen und woher dieses Essen kommt, geschieht etwas Seltsames.

Unsere Eltern könnten uns ganz einfach die Wahrheit sagen und uns weitgehend die Entscheidung überlassen, wie wir mit damit umgehen. Sie könnten uns aufklären und respektieren, wenn wir im Angesicht der Tatsachen künftig manche ‚Produkte‘ lieber nicht mehr essen wollen.

Genau das tun sie aber oft nicht, vor allem dann nicht, wenn es um Produkte tierlicher Herkunft geht.

Fragen wir, woher ein Apfel kommt, wo Karotten wachsen, wie sie geerntet werden oder wie Nudeln produziert werden, bekommen wir meist ehrliche Antworten.

Fragen wir aber, wie z.B. ein Hot Dog hergestellt wird, belügen uns unsere Eltern hemmungslos.
 Sie erzählen uns vielleicht, die Wurst komme vom freundlichen Metzger von nebenan. Er stellt sie ‚irgendwie‘ her, das ist sein Beruf.
Wenn wir hartnäckig weiter fragen, räumen sie kleinlaut ein, dass Fleisch und Wurst schon etwas mit toten Tieren zu tun haben. Diese Tiere sind aber speziell dafür da, um von uns gegessen zu werden. Sie haben ein beneidenswert schönes Leben und müssen niemals leiden. Was das Beste ist: Sie sind regelrecht glücklich, uns als Nahrung zu dienen. Nichts könnte für sie schöner sein.

Wenn wir das partout nicht glauben wollen, zeigen uns unsere Eltern zum Beweis ihrer Aufrichtigkeit vielleicht noch ein ‚Aufklärungsvideo‘. (Im „Transparenz-Tagebuch“ verrät uns beispielsweise Lily Schwein, wie es in der modernen Schweinehaltung zugeht. Einfach paradiesisch. )

Niemand erzählt uns:

Hot Dogs werden aus getöteten Schweinen gemacht.
Wir mästen sie massenhaft in Ställen, wo sie oft ohne Tageslicht ihr kurzes Leben lang auf engsten Raum zusammen mit anderen Schweinen in ihrer eigenen Scheiße stehen.
Wir geben ihnen Soja, Wachstumshormone, Medikamente und zermahlene Kadaver ihrer Artgenossen zu fressen.
Wenn sie fett genug ist sind, pferchen wir zu Dutzenden in einen Transporter und fahren sie bei Wind und Wetter über hunderte von Kilometern zum Schlachthof.
Dort schlitzen wir ihnen kopfüberhängend die Kehle auf, lassen sie ausbluten und teilen sie dann in Stücke.
Aus den Leichenteilen stellen wir dann die Brühwurst für den Hotdog her.
Dazu pürieren wir so ziemlich alle Bestandteile (Ohren, Zunge, Innereien, Schwanz, …) zu einer geschmacklosen Pampe, die wir kräftig würzen und anschließend in Därme pressen.“

"Wir merken früh, dass unsere Fragen nicht wirklich erwünscht sind.
Wir vermeiden Ärger, indem wir eben das essen, was von uns erwartet wird.

In dieser Phase unseres Lebens verlernen wir unsere angeborene bedingungslose Empathie gegenüber allen leidensfähigen Lebewesen und empfinden künftig nur noch selektiv Mitgefühl für bestimmte Tiere, die es nach Auskunft unserer Eltern ‚wert‘ sind, dass wir uns um sie sorgen.
Gleichzeitig akzeptieren wir, dass es völlig in Ordnung ist, andere Tiere einzusperren, zu quälen, zu töten und ohne Schuldgefühle zu verzehren. Diese ‚Erkenntnisse‘ bestimmen maßgeblich unser künftiges Ernährungsverhalten. Sie steuern, worüber wir uns informieren und was wir lieber nicht so genau wissen wollen.

Wir haben also gelernt, nicht das zu essen, was wir wollen, sondern, was wir im Sinne des gesellschaftlichen Mainstream wollen sollen.

Wenn wir uns diese Programmierung eingestehen, können wir beginnen, für uns selbst zu denken.
Wir können anzweifeln, was man uns zu glauben gelehrt hat und uns die Informationen beschaffen, die uns immer verschwiegen wurden. Wir können unsere bisherigen Ansichten kritisch hinterfragen, Denkfehler, Irrtümer und Widersprüche bemerken.

Wenn wir das ‚karnistische Tabu‘ brechen und uns der Frage stellen, wen wir essen, erkennen wir, dass es Lebewesen und keine Lebensmittel sind, die auf unseren Tellern landen. Geschöpfe, die wie wir den Wunsch und das Recht haben, zu leben. Spätestens, wenn wir die die Bilder des Grauens aus den Ställen und Schlachthöfen an uns heranlassen, wird unser Herz sich öffnen und das bedingungslose Mitgefühl unserer Kindheit zurückkehren. Erst dann werden wir bewusste Entscheidungen treffen und fortan tatsächlich essen, was wir wollen.“

Der vollständige Artikel ist hier zu lesen:


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