Dienstag, 2. August 2016

Das Schlachten abschaffen

von tier-im-fokus.ch (tif) // 29.07.2016 





Schweizer Schweine – der Freiheit beraubt || Foto © Klaus Petrus












Am 6. August protestieren wir in Bern für die Schliessung aller Schlachthäuser. Diese Forderung hat fundamentale Konsequenzen: Da auch Milchkühe, Legehennen und Wollschafe im Schlachthaus enden, führt die Schliessung aller Schlachthäuser zur vollständigen Abschaffung der Nutztierhaltung. Diese Forderung hat in der Tierrechtsphilosophie einen Namen: “Abolitionismus”.

Abschaffung der Sklaverei

Ursprünglich stand der Abolitionismus für eine soziale Widerstandsbewegung gegen die Sklaverei in den USA des 19. Jahrhunderts. Seine VerfechterInnen bekämpften den lukrativen, transatlantischen Sklavenhandel und boykottierten durch SklavInnen gewonnene Rohstoffe, schreibt Birgitta Bader-Zaar in ihrem Aufsatz “Abolitionismus im transatlantischen Raum”.
SklavInnen waren zu jener Zeit rechtlich gesehen Eigentum, dessen Bedürfnisse den Wirtschaftsinteressen der EigentümerInnen untergeordnet waren. Das hatte für die SklavInnen katastrophale Folgen: Sie wurden auf Tabak-, Zuckerrohr- und Baumwollplantagen zur Arbeit gezwungen sowie gebrandmarkt, gehandelt und sogar “gezüchtet”.
Die Antisklavereibewegung fokussierte ihre Kritik auf moralische Argumente. Die Forderung war eindeutig: Es reicht nicht, die Sklaverei zum Wohle der SklavInnen durch kleine Reformen zu verbessern – die Sklaverei gehört abgeschafft! (engl. to abolish)

Abolitionistische Theorie der Tierrechte

Im späten 20. Jahrhundert formulierte der Rechtsprofessor Gary Francione eine abolitionistische Theorie der Tierrechte. In seinen Schriften kritisiert Francione, dass Tiere – wie SklavInnen – unser Eigentum sind und damit Mittel zu menschlichen Zwecken. EigentümerInnen haben prinzipiell das Recht, ihr Eigentum zu jedwelchen Zwecken zu nutzen. Für die Tiere verheisst das nichts Gutes: Ihre Interessen an Leben, Freiheit oder Unversehrtheit werden systematisch den ökonomischen Interessen der Tierindustrie untergeordnet. Darum, so Francione, müssen wir zuerst den rechtlichen Status von Tieren als Eigentum abschaffen, bevor wir die Interessen der Tiere ernsthaft berücksichtigen können.

Francione distanziert sich vom herkömmlichen Tierschutz und dessen Bestrebungen, die Haltungsbedingungen der sogenannten Nutztiere lediglich zu verbessern. Kampagnen, die einen “humaneren” Umgang mit Tieren bezwecken, hält Francione für kontraproduktiv. Sie rütteln nicht am Eigentumsstatus, sondern zementieren die Vorstellung, dass wir ein Recht darauf haben, Tiere zu nutzen. Zudem, so Francione, bescheren Verbesserungen der Tierhaltung den KonsumentInnen ein gutes Gewissen und sichern damit die Profite der Tierindustrie.

Tiere in die Gesellschaft integrieren

Der Abolitionismus fordert die Aufhebung des Eigentumsstatus von Tieren und damit die Abschaffung dessen, was wir als “Nutztierhaltung” kennen.
Doch wie sollen Menschen und andere Tiere fortan zusammenleben?
Die AutorInnen Sue Donaldson und Will Kymlicka plädieren in ihrem Buch “Zoopolis” dafür, domestizierte Tiere in die politische Gemeinschaft aufzunehmen. Darin sollen sie nicht bloss in paternalistischer Weise als Opfer behütet werden, sondern sie sollen ihre subjektiven Interessen kommunizieren und die Zukunft ihrer Gemeinschaft mitgestalten können.

In ihrer Vision hätten Tiere nicht nur moralische Rechte auf Leben, Freiheit und Unversehrheit, sondern auch Anspruch auf Schutz durch das Gesetz sowie andere öffentliche Schutzmassnahmen. So müsste etwa im Brandfall die Feuerwehr für sie ausrücken oder könnten das Gesundheitswesen beanspruchen. Nicht zuletzt sollten ihre Interessen bei der Gestaltung öffentlicher Räume und Institutionen berücksichtigt werden.

Tierliche Emanzipation

Das System der Nutztierhaltung gleicht dem System der amerikanischen Sklaverei. In beiden Fällen werden die Rechte von Individuen missachtet, indem sie auf Eigentumsgegenstände reduziert werden.

Doch es gibt auch Unterschiede: SklavInnen konnten auf die Strasse gehen, ihre Rechte einfordern, ihren Unterdrückern ins Gewissen reden.
Tiere können das nicht. Sie können ihre Rechte nicht selbst verteidigen. Es liegt an uns, Fleisch, Milch und Eier zu boykottieren. Für sie wird niemand auf die Strasse gehen, wenn wir es nicht tun. Niemand wird die Schlachthäuser schliessen – ausser uns.

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