Dienstag, 12. April 2016

Die Ohnmacht vor dem Tod


Auszüge:

Knapp 60 Millionen Schweine werden jährlich in Deutschland geschlachtet: betäubt, getötet und dann zu Kotelett, Schnitzel, Haxe zerlegt.

59,3 Millionen Schweine werden jedes Jahr bei uns geschlachtet, die meisten davon mit Hilfe eines Verfahrens, bei dem die Tiere zunächst mit CO2 betäubt werden. An rund 300 Tagen im Jahr – sonntags stehen die Förderbänder still – schicken Schlachtbetriebe, die diese Methode verwenden, insgesamt etwa 40 Millionen Schweine in Metallkäfigen, sogenannten Gondeln, in den Kohlendioxid-Schacht. 

 CO2-Methode: „Der Hauptvorteil liegt in einer effizienten Gruppenbetäubung mit wenig Personaleinsatz. Die CO2-Betäubung steht in der Kritik, weil die Betäubung nicht sofort eintritt und die Tiere bei der Einleitung Atemnot-Symptome und ein starkes Abwehrverhalten zeigen.“ 

Was dort genau mit den Schweinen passiert, hat Prof. Klaus Troeger vom Max-Rubner-Institut in Kulmbach 2012 – auf Tönnies’ Einladung übrigens – untersucht: Nebeneinander werden die Tiere mit einem Schiebeschild über die Breitseite in die Stahlgondel getrieben. Mehrere dieser Metallkäfige laufen, wie in einem Paternoster an Ketten aufgehängt, im Kreisverkehr. Die ganze Anlage wird „Backloader“ genannt. Während ein Stahlkäfig auf der einen Seite mit bis zu acht Schweinen beladen werden kann, sinkt eine andere Gondel etappenweise in den neun Meter tiefen CO2-Schacht hinab.

 „Wenn man sieht, was passiert, wenn die Tiere in den CO2-See eintauchen – spätestens dann kommt bei vielen Leuten die Erkenntnis, dass man Tiere so eigentlich nicht betäuben kann“. 

 „Sie strecken die Schnauzen nach oben, zeigen Maulatmung, also typische Anzeichen eines Erstickungsgefühls, und drängen nach oben.“ Es sei eng dort unten, und während es abwärts gehe, werde die Luft immer knapper. „Die Tiere bekommen Angst, auch weil das Gas in Verbindung mit Flüssigkeit zu einer schwachen Säure wird und dann zusätzlich ihre Schleimhäute angreift“.

Panik äußert sich in schrillen Schreien. 

„Erstickungsnot“ und „Todesängste“

Die vorgeschriebene Mindestaufenthaltsdauer im CO2-Schacht: 100 Sekunden; so ist es gesetzlich angeordnet, um sicherzustellen, dass die Schweine möglichst tief und fest narkotisiert sind.

Dann taucht die Gondel wieder auf und wirft die leblosen Körper auf das Förderband, wo sie von einem Mitarbeiter erwartet werden. Möglichst zügig, damit sie beim nächsten Arbeitsgang noch betäubt sind, werden sie an einem Fuß angeschlungen, an einen Haken gehängt und in den Fließverkehr eingereiht.

Der gewollte Tod erfolgt dann durch Ausbluten.
Der nächste Mitarbeiter am Band sticht mit einem Hohlmesser zu. Er muss direkt in die Hauptschlagader treffen, damit das Blut gut fließt. Dieses läuft über einen angeschlossenen Schlauch ab. Erst wenn es tot ist, darf das Tier in die Brühung kommen, eine Art Schweinewaschanlage mit Wasser, das auf 62 Grad Celsius erhitzt ist.

Fließbandarbeit: etwa alle fünf Sekunden ein Stich, ein Schwein, ein Stich, ein Schwein; 750 Tiere pro Band, 1450 bis 1500 Tiere pro Stunde. Eine recht blutige Angelegenheit. Es ist eben ein Schlachtbetrieb, auch wenn er als einer der modernsten in Europa gilt. „Wenn ein Arbeiter diese Hauptarterien nicht richtig trifft oder ein Schwein vergisst, weil mal drei übereinander hängen, dann fährt das Tier unter Umständen bei vollem Bewusstsein in die heiße Brühe“, sagt Troeger besorgt. „Diese Fehlentblutungen bei großen Betrieben sind ein Problem.“

 Bei Tönnies wiegt eine Waage das Schwein automatisch vor und nach der Entblutung. Wenn das Gerät keine sichere Entblutung registriert, zeigt es das an; dann muss nachgestochen werden. Zusätzlich misst ein Analysegerät die Blutmenge. Das sei aber nicht ganz sicher, sagt Tönnies-Tierarzt Altemeier; deswegen habe man noch einen Mann dort stehen, der bei jedem Tier den Cornealreflex prüfen soll. „Der Mitarbeiter hat die Berechtigung, den roten Knopf zu drücken, um das Band zu stoppen.“ Mit einem Bolzenschussgerät kann er dann dem Tier den Rest geben. Dafür hat er aber nicht allzu viel Zeit, obwohl ein Zeitpuffer eingebaut ist; das Band soll laufen wie eine Autobahn zur Hauptreisezeit. Doch bei der hohen Umschlagsmenge bleiben ein paar Stopps nicht aus: „Wir haben eine tägliche Haltequote, das kommt einfach vor“, räumt Altemeier ein.

 Im ungünstigsten Fall also könnten fünf Prozent der Tiere kurzfristig aus der Ohnmacht vor dem Tod erwachen; theoretisch könnten sie dann lebendig für vier Minuten in die 62 Grad heiße Brühe getaucht werden, bevor sie danach in die Kratzmaschine kommen, wo die Borsten abgekratzt werden. Dann folgt die Abflammanlage, um die restlichen Borsten abzukriegen. „Die Schweine, die in der Brühanlage sterben, erleiden einen Kreislaufzusammenbruch....

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