Montag, 22. Juni 2015

Zwischen Gut und Böse



"Manche Menschen haben ein Tier als besten, vielleicht sogar einzigen Freund.
Ihm können sie alles erzählen, die Tiere sind immer für sie da, sie freuen sich, wenn sie zurückkommen und sind für alles dankbar.

Manche Menschen ziehen in ihrer Einsamkeit oder Verbitterung Tiere sogar Menschen vor. Das andere Extrem zur über­triebenen, wenn auch vielleicht im Einzelfall verständli­chen Tierliebe ist die Tierquälerei, etwa bei der Massen­tierhaltung, beim Tiertransport, bei Tierexperimenten oder bei ihrem Missbrauch als Personenersatz. Wo aber liegt die Grenze zwischen einer übertriebenen Tierliebe und einer unzulässigen Tierquälerei?

Was berechtigt uns, mit Tieren in einer Weise umzugehen, die wir im Um­gang mit uns selbst und mit anderen Menschen nicht für richtig halten?

Kein Mensch darf beispielsweise, so sind wir in der Regel überzeugt, gegen seinen freien Willen für medizinische Experimente oder als Nahrungsmittel getötet werden, auch nicht, wenn dies schmerzlos ge­schieht. 

Dürfen wir dagegen Tiere zu unseren beliebigen Zwecken als Mittel einsetzen? 

Der Umgang mit Tieren sagt zugleich etwas darüber aus, wie wir uns selber ein­schätzen, welche Rechte und Pflichten wir uns ihnen und der Natur gegenüber insgesamt zuschreiben oder wie wir uns von Tieren zu unterscheiden meinen. 
Tier­ethik ist daher zugleich ein untrennbarer Teil der allge­meinen Ethik als Nachdenken über unsere Lebensweise. Sie ist alles andere als eine bloß spezielle ökologische Ethik sentimentaler Tierliebhaberei.

Martens, Ekkehard (1997): Zwischen Gut und Böse. Stuttgart: Reclam, S. 103.

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