Dienstag, 2. Juni 2015

Bitte sieh hin. Einmal nur.


















Du kannst mich nicht leben sehen,
denn ich bin zum Sterben verurteilt worden,
bevor ich geboren wurde.

Meine Mutter hat mich geboren,
und nie bei sich haben dürfen.
Ich hatte keine Nähe, keine Wärme.
Ich wurde weggebracht und war allein.

Monatelang, andere jahrelang…
Ich erlitt Schmerzen und Gewalt,
Ich fürchtete mich und ich zitterte.
Ich weinte nach meiner Mutter,
so wie jedes Kind auf dieser Welt.
Niemand erhörte meinen Kummer.
Ich musste existieren.
Aber ich durfte nicht leben.

Was ist Leben für Dich?
Du hast erfüllte Bedürfnisse,
Erfolge und Liebe,
Freundschaften und Begegnungen,
Freuden und Lachen,
Spaß und Interessen die Du pflegst,
Sonne genießen und spielen.
Erwachsen werden und reifen,
lernen und Gelerntes weitergeben,
Deinen Alltag, Deine Familie.

Ich hatte nichts davon.

Aber all das hätte ich auch haben können.
Denn ich bin Leben, so wie Du.

Nun bin ich tot.
Lange schon.
Während Du lebst.
Meine Brüder und Schwestern
werden jeden Tag geboren.
Und getötet.
Jeden Tag.
Es ist auf der Verpackung im Regal nicht zu sehen.
Nicht zu fühlen und nicht nachzuvollziehen.

Bitte sieh dorthin, 
wo und wie
man mir mein Leben,
fortgenommen und vorenthalten hat.

Bitte sieh richtig hin. Einmal nur.

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