Man versteht sie nicht.
Aber nun verstehe ich sie doch.
Sie sind so wütend, weil sie dieses Leid der Tiere sehen
können.
Weil sie Tag für Tag den Schmerz spüren, den dieses Wissen und Fühlen
in einer Welt auslöst, die sich nicht um dass Leid der Tiere schert.
Ich versuche, mich in einen Veganer hineinzuversetzen.
Ich stelle mir vor, wie ich immer wieder den Verzicht auf
Tier anmahne und dafür nur Spott und Häme ernte.
Wie ich ausgelacht werde, weil
ich Tiere vermenschlichen würde.
Doch ein Veganer ist kein Romantiker.
Er ist
Realist. Er ist mehr Realist als wir.
Wir sind die Romantiker, wir sind es, die an die heile
Werbewelt glauben, an glückliche Tiere, an grüne Wiesen. Wir sind die
wirklichen Träumer. Und nur weil 75 Millionen etwas Dummes für Richtig halten,
wird es dadurch nicht schlauer.
Ich wollte den Mythos vom veganen Bessermenschen entzaubern.
Was ich wirklich entzaubert habe ist der Mythos von sauberer Tierproduktion und
heilem Tierkonsum.
Veganer sind auch nur Menschen. Sie vertun sich genauso
häufig im Ton wie andere. Doch ich verstehe auf einmal, dass es ihnen gar nicht
darum geht, sich über andere zu stellen und den Bessermenschen raushängen zu
lassen. Sie werden nur so verstanden.
Doch sie sprechen nicht über sich, sie sprechen vielmehr für
fühlende und leidende Lebewesen, die sich nicht in die Diskussion einmischen
können, die aber alles was sie haben hergeben müssen für unser Wohlergehen: ihr
ganzes Leben.
Veganer und Tierschützer sind Anwälte der Tiere. Ich spüre
auf einmal die Last, die auf deren Schulter liegt und dann bleibt ein Gefühl in
mir stehen:
Ich schäme mich. Und das tut weh.
Tage später recherchiere ich endlich, wie wichtig Tier für
unsere Ernährung ist. Und ich erschrecke. Es gibt nicht eins, nicht ein
einziges Argument FÜR Fleischkonsum, das nicht entkräftbar wäre. Dafür hunderte
dagegen.
Fleischerzeugung verbraucht bis zu zehnmal soviel
pflanzliches Material wie als wenn Pflanzen direkt gegessen würden.
Nahrung aus Massentierhaltung kommt vor allem aus
Drittländern.
Vor allem Soja. Für Soja wird Regenwald abgeholzt.
Man sagt, dass für einen Hamburger 4 m² Regenwald weichen
müssen. Die ganze Landwirtschaft in dritte Welt-Ländern wird zerstört. Die
Folge ist Hunger. Millionen Menschen verhungern, weil wir nicht auf unser
billiges Schnitzel verzichten wollen.
Die Meere werden leergefischt, darüber hinaus wird der
Meeresgrund durch Schleppnetze unwiederbringlich vernichtet. Nur weil einmal
ein Netz darüber reißt. Ich lerne, wie viel Schmerz auch Fische spüren.
Ich werde nie wieder Veganer und Tierschützer verspotten,
denn ich verspotte damit nicht sie, sondern ich verspotte damit leidende Tiere
und verhungernde Menschen.
Ich verspotte damit den Regenwald. Ich verspotte damit die
Zukunft unserer Kinder..."
Aus "Wie ich verlernte, Tiere zu essen" von
Marsili Cronberg
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