von
tier-im-fokus.ch
(tif) // 29.07.2016
Schweizer
Schweine – der Freiheit beraubt || Foto © Klaus Petrus
Am
6. August protestieren wir in Bern für die Schliessung aller Schlachthäuser.
Diese Forderung hat fundamentale Konsequenzen: Da auch Milchkühe, Legehennen
und Wollschafe im Schlachthaus enden, führt die Schliessung aller
Schlachthäuser zur vollständigen Abschaffung der Nutztierhaltung. Diese
Forderung hat in der Tierrechtsphilosophie einen Namen: “Abolitionismus”.
Abschaffung
der Sklaverei
Ursprünglich
stand der Abolitionismus für eine soziale Widerstandsbewegung gegen die
Sklaverei in den USA des 19. Jahrhunderts. Seine VerfechterInnen bekämpften den
lukrativen, transatlantischen Sklavenhandel und boykottierten durch SklavInnen
gewonnene Rohstoffe, schreibt Birgitta Bader-Zaar in ihrem Aufsatz
“Abolitionismus im transatlantischen Raum”.
SklavInnen
waren zu jener Zeit rechtlich gesehen Eigentum, dessen Bedürfnisse den
Wirtschaftsinteressen der EigentümerInnen untergeordnet waren. Das hatte für
die SklavInnen katastrophale Folgen: Sie wurden auf Tabak-, Zuckerrohr- und
Baumwollplantagen zur Arbeit gezwungen sowie gebrandmarkt, gehandelt und sogar
“gezüchtet”.
Die
Antisklavereibewegung fokussierte ihre Kritik auf moralische Argumente. Die
Forderung war eindeutig: Es reicht nicht, die Sklaverei zum Wohle der
SklavInnen durch kleine Reformen zu verbessern – die Sklaverei gehört abgeschafft!
(engl. to abolish)
Abolitionistische
Theorie der Tierrechte
Im
späten 20. Jahrhundert formulierte der Rechtsprofessor Gary Francione eine
abolitionistische Theorie der Tierrechte. In seinen Schriften kritisiert
Francione, dass Tiere – wie SklavInnen – unser Eigentum sind und damit Mittel
zu menschlichen Zwecken. EigentümerInnen haben prinzipiell das Recht, ihr
Eigentum zu jedwelchen Zwecken zu nutzen. Für die Tiere verheisst das nichts
Gutes: Ihre Interessen an Leben, Freiheit oder Unversehrtheit werden
systematisch den ökonomischen Interessen der Tierindustrie untergeordnet.
Darum, so Francione, müssen wir zuerst den rechtlichen Status von Tieren als
Eigentum abschaffen, bevor wir die Interessen der Tiere ernsthaft
berücksichtigen können.
Francione
distanziert sich vom herkömmlichen Tierschutz und dessen Bestrebungen, die
Haltungsbedingungen der sogenannten Nutztiere lediglich zu verbessern.
Kampagnen, die einen “humaneren” Umgang mit Tieren bezwecken, hält Francione
für kontraproduktiv. Sie rütteln nicht am Eigentumsstatus, sondern zementieren
die Vorstellung, dass wir ein Recht darauf haben, Tiere zu nutzen. Zudem, so
Francione, bescheren Verbesserungen der Tierhaltung den KonsumentInnen ein
gutes Gewissen und sichern damit die Profite der Tierindustrie.
Tiere
in die Gesellschaft integrieren
Der
Abolitionismus fordert die Aufhebung des Eigentumsstatus von Tieren und damit
die Abschaffung dessen, was wir als “Nutztierhaltung” kennen.
Doch
wie sollen Menschen und andere Tiere fortan zusammenleben?
Die
AutorInnen Sue Donaldson und Will Kymlicka plädieren in ihrem Buch “Zoopolis”
dafür, domestizierte Tiere in die politische Gemeinschaft aufzunehmen. Darin
sollen sie nicht bloss in paternalistischer Weise als Opfer behütet werden,
sondern sie sollen ihre subjektiven Interessen kommunizieren und die Zukunft
ihrer Gemeinschaft mitgestalten können.
In
ihrer Vision hätten Tiere nicht nur moralische Rechte auf Leben, Freiheit und
Unversehrheit, sondern auch Anspruch auf Schutz durch das Gesetz sowie andere
öffentliche Schutzmassnahmen. So müsste etwa im Brandfall die Feuerwehr für sie
ausrücken oder könnten das Gesundheitswesen beanspruchen. Nicht zuletzt sollten
ihre Interessen bei der Gestaltung öffentlicher Räume und Institutionen
berücksichtigt werden.
Tierliche
Emanzipation
Das
System der Nutztierhaltung gleicht dem System der amerikanischen Sklaverei. In
beiden Fällen werden die Rechte von Individuen missachtet, indem sie auf
Eigentumsgegenstände reduziert werden.
Doch
es gibt auch Unterschiede: SklavInnen konnten auf die Strasse gehen, ihre
Rechte einfordern, ihren Unterdrückern ins Gewissen reden.
Tiere
können das nicht. Sie können ihre Rechte nicht selbst verteidigen. Es liegt an
uns, Fleisch, Milch und Eier zu boykottieren. Für sie wird niemand auf die
Strasse gehen, wenn wir es nicht tun. Niemand wird die Schlachthäuser
schliessen – ausser uns.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen