Moralische
Schizophrenie in der Praxis von Armin Rohm:
Spricht man mit Omnivoren über die Ausbeutung der Tiere
durch den Menschen oder etwas spezieller über das Thema Fleischkonsum, dann
beeilen sie sich meist klarzustellen, dass ihnen die Tiere „wirklich auch Leid tun“, und dass man die untragbaren Zustände in
der „Fleischproduktion“ dringend
reformieren muss, damit „man (!) wieder guten Gewissens Fleisch essen kann“.
Solche Aussagen sind für Veganer kaum erträglich, weil sie
sich verstört fragen:
Was zum Teufel soll eine „reformierte Ausbeutung“ sein, die
so toll ist, dass sie sogar Mord rechtfertigt?
Wie kann jemand, der die Hinrichtung von Tierkindern
beauftragt, überhaupt jemals ein „gutes Gewissen“ haben?
Welche geistigen Verrenkungen sind hierzu nötig?
92% der Deutschen essen Tierleichen, und die große Mehrheit
sagt, sie empfinde Mitleid, wenn ein Tier „unnötige“ Qualen erleidet. Sind das
alles verlogene Heuchler? Ganz so einfach ist es wohl nicht.
Wenn nicht, wie kann es dann sein, dass Omnivoren fühlen wie
ich, und trotzdem weder Schuld noch Ekel empfinden, wenn sie Tiere essen?
Es könnte damit zu tun haben, dass beide, Omnivoren und
Veganer, zwar sagen „Mir tun die Tiere leid“, aber damit (unbewusst) zwei
verschiedene Gefühle ausdrücken.
Die meisten Fleischesser empfinden MitLEID mit den Tieren,
Veganer empfinden MitGEFÜHL. Zwei völlig unterschiedliche Qualitäten.
MitLEID
ist eine
gönnerhafte Geste, die dem Ego des Stärkeren entspringt und der Beruhigung des
eigenen Gewissens dient. Mitleid empfindet, wer sich überlegen fühlt, kommt
also von oben herab, geschieht nicht auf Augenhöhe.
Mitleid empfindet zum Beispiel der amerikanische Präsident,
wenn er ausnahmsweise den Thanksgiving-Truthahn begnadigt. Er tut das für SICH,
indem er SEIN Ego streichelt und SICH und der ganzen Welt zeigt, dass ER ein
guter Mensch ist.
Der Gedanke, dass es nicht in Ordnung sein könnte, Truthähne
zu schlachten, spielt dabei keine Rolle. Mitleid ist manchmal nichts weiter als
die höflichste Form von Verachtung. Es hilft den Menschen außerdem, sich selbst
als bessere Menschen im Vergleich zu den anderen Tätern einzustufen und das
eigene Handeln dadurch zu ent-SCHULD-igen.
Diese inneren Bewertungsvorgänge erfolgen jedoch nicht
bewusst. Sie werden nicht hinterfragt und sind in der Regel nicht besprechbar.
Gerade deshalb sind sie in in ihrer psychologischen Bedeutung als Stabilisator
der karnistischen Ideologie kaum zu überschätzen.
MitGEFÜHL
hingegen ist das Erschaudern des Herzens im Angesicht des Leids. Wer Mitgefühl
empfindet, begibt sich auf Augenhöhe mit seinem Gegenüber. Er sieht und fühlt
die Dinge mit den Augen und in der Haut des anderen. Wer Mitgefühl mit den
Tieren empfindet, hört ihre markerschütternden Schreie, sieht ihre
verzweifelten Blicke, fühlt ihre Trauer und Todesangst, spürt das
Schlachtermesser an der eigenen Kehle.
Er verbindet sich ganz mit dem Schmerz der Opfer. Er weiß und fühlt, dass es auch seine eigenen Schreie, Blicke, Gefühle und Tränen sind, die er da wahrnimmt.
Er fühlt in diesem Moment das Leiden aller beseelten Geschöpfe in dieser gewalttätigen Welt.
Er verbindet sich ganz mit dem Schmerz der Opfer. Er weiß und fühlt, dass es auch seine eigenen Schreie, Blicke, Gefühle und Tränen sind, die er da wahrnimmt.
Er fühlt in diesem Moment das Leiden aller beseelten Geschöpfe in dieser gewalttätigen Welt.
Mitleid oder Mitgefühl?
Der Unterschied, der den Unterschied macht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen