Hierzu Auszüge aus einem Beitrag von Martin Balluch:
„1) Aufbau einer veganen Alternative
Wenn auch die Wirkung, keine Tierprodukte zu kaufen gering ist, so ist
die Wirkung, vegane Alternativen zu kaufen, deutlich zu spüren. Wer vegane
Sommerfeste besucht, wird rasch merken, wie sehr sich diese vegane
Infrastruktur entwickelt. Und wie sollten TierrechtlerInnen auf ihre Revolution
hinarbeiten, ohne eine konkrete, machbare Alternative vor Augen? Aus der
politischen Praxis weiß ich, dass gesellschaftsweit keine Änderung einer
Verhaltensweise möglich ist, ohne dass vorher die Alternative entwickelt und in
der Realität erprobt wurde. Das bezieht sich auch auf vegane Schwangerschaften,
Säuglingszeit und ein von Geburt an veganes Leben. Ist das ohne Schwierigkeiten
möglich, ja vielleicht sogar gesünder als omnivor? Auch um diese Frage zu
entscheiden braucht es genügend Menschen, die das versuchen.
2) Die politische Botschaft
Vegan zu leben ist eine politische Botschaft. Überall, wo vegane
Menschen auftreten, wird diese Botschaft gehört und führt zu Diskussionen. Bei
jedem gemeinsamen Essen mit Nicht-VeganerInnen wird automatisch Veganismus zum
Thema. Man fordert zwangsläufig Firmen und gastronomische Betriebe heraus, auch
die ArbeitgeberInnen müssen in gewissem Rahmen darauf Rücksicht nehmen, z.B.
die Uni bei wissenschaftlichen Konferenzen. Und nicht zuletzt schafft die
vegane Lebensweise eine Bewegungsidentität in der Tierrechtsszene. Veganismus
ist eine Gemeinsamkeit, die über das konkrete politische Engagement hinausgeht
und eine soziale Brücke bildet. Als tierschutzpolitisch aktiver Mensch fühlt
man sich durch alle veganen Personen direkt unterstützt und gefördert, und
bekommt dadurch mehr Kraft sich weiter für Tierschutz einzusetzen.
3) Ethik und Psychohygiene
Unter systemkritischen Linken findet man oft eine starke Aversion gegen
moralische Argumente. Die Moral sei ein Ausdruck kleinbürgerlicher
Kleingeistigkeit, offenbar wird dabei hauptsächlich an so etwas wie Tischsitten
oder Kleiderordnungen gedacht. Aber natürlich spielt die Ethik im eigenen Leben
eine verdient wichtige Rolle. Und vom Tierrechtsstandpunkt aus ist sicherlich
ein nichtveganes Leben unethisch.
Durch den Konsum von Tierprodukten wird man direkt für das Leid und den
Tod von Tieren verantwortlich. Kinderpornografie, Snuff-Movies von echter
Folter und Mord und oft auch konsensuale Pornografie mit Erwachsenen sind
insbesondere in politisch-progressiven Kreisen nicht nur verpönt, die ethische
Ablehnung geht so weit, dass man den Konsum derartiger Produkte auch bei
anderen Personen zu verhindern versucht. Wer das akzeptiert und gleichzeitig
auch Tieren Grundrechte zuerkennt, wird es schwer haben zu argumentieren, warum
der Konsum von Tierprodukten ethisch kein Problem sein soll.
Wie wäre das, ließe sich Menschenfleisch legal importieren? Ist einmal
anerkannt, dass Tierprodukte ein ethisches Problem darstellen, dann ist deren
Vermeidung allein schon aus psychohygienischen Gründen geboten. Kaum etwas
wirkt sich negativer auf die Psyche aus, als eine direkt erlebte, schrille
Diskrepanz zwischen praktischem Handeln und ethischer Haltung, wie uns Melanie
Joy bei ihrem Vortrag kürzlich an der Uni in Wien anschaulich erläutert hat.
Dazu gehört auch die Kultivierung einer echten Abscheu vor Tierprodukten, die
letztlich wieder ein starkes politisches Signal initiieren kann.
Für mich gibt es also einige gute Gründe vegan zu leben, selbst wenn
man durch den Boykott tierlicher Produkte allein noch keine Gesellschaft
verändern kann.“